Hilfe, der Vogel ist los!
20. Februar 2020Gebt Acht auf die Kleinen
20. Februar 2020Schon dem Schreiber der biblischen Sprüche war bekannt:
„Wo viel Worte sind, da geht‘s ohne Sünde nicht ab …“ Sprüche 10,19
und Jakobus meinte:
„Wer sich in Worten nicht verfehlt, ist ein vollkommener Mann.“ Jakobus 3,2
Hier könnte man schlussfolgern, dass eine erfolgreiche, verständliche Kommunikation völlig unerreichbar sei. Doch weit gefehlt! Allen gilt der Aufruf:
„Lernet Gutes zu tun!“ (2)
„Die richtige Ausbildung und Benutzung des Sprachvermögens kommt in allen Zweigen christlichen Wirkens zur Geltung. Sie macht sich bemerkbar im Familienleben und in unserem Verkehr miteinander. Wir sollten uns daran gewöhnen, im angenehmen Ton zu sprechen, reine und richtige Ausdrücke und gütige, liebevolle Worte zu gebrauchen. Liebliche, gütige Worte sind der Seele wie ein Tau und sanfter Regen. Die Schrift sagt von Christus, dass seine Lippen holdselig waren, dass er „wisse, mit dem Müden zu rechter Zeit zu reden.“ Psalm 45,3; Jesaja 60,4. Und der Herr gebietet uns: „Eure Rede sei allezeit lieblich,“ „dass es holdselig sei zu hören.“ Kolosser 4,6; Epheser 4,29. “ 3
Martin Luther empfahl:
„Ein Christ soll wenig Wort und viel Tat machen.“ 4
Es lohnt sich also, sich mit dem zu beschäftigen, von dem wir meinen, wir könnten es längst: die Kommunikation.
1. Grundsatz: Der bewusste Einsatz der Kommunikation
Etwas so komplexes, wichtiges und folgenreiches, wie die Kommunikation mit unseren Mitmenschen, sollte nicht unbedacht ablaufen. Zunächst müssen wir wissen, dass wir ständig kommunizieren, auch wortlos durch unser Verhalten. „Wir können nicht nicht kommunizieren“ sagte der Kommunikationsforscher Paul Watzlawick. Was wir sind und wie wir uns geben, drückt etwas über uns aus. 5
Nun wird es schwer sein und ist auch nicht beabsichtigt, sich ständig gekünstelt und wirkungsvoll in Szene zu setzen. Kommunikation soll kein Schauspiel sein, in dem wir eine Rolle spielen, die gar nicht unserem Wesen entspricht.
1.1. Zwei Stufen in der Entwicklung der persönlichen, bewussten Kommunikation
a) Das besondere Augenmerk liegt auf wichtige Situationen, Gespräche, von denen viel abhängt, z.B. im Job, bei Problembewältigungen in der Familie, aber auch in der Missionsarbeit und wo immer ein guter Eindruck vonnöten ist, der ein wichtiges Anliegen unterstreicht. Sich hier besondere Mühe zu geben, ganz bewusst auf alles zu achten, von der äußeren Erscheinung, der Körpersprache und Sprechtechnik bis zur eigentlichen inhaltlichen Wortwahl, ist vielen Menschen ein Anliegen, wenn es auch mit unterschiedlichem Erfolg umgesetzt wird. b) Die zweite, schwierigere Stufe betrifft die bewusste Änderung unseres Wesens, eine dauerhafte und situationsunabhängige Verbesserung unserer Kommunikation. Das Ziel ist es, immer freundlich, aufmerksam, verständlich und liebevoll zu kommunizieren – und nicht nur in besonderen Situationen, in denen wir uns „zusammenreißen“, weil es uns Vorteile verspricht. Ist das überhaupt möglich?
Ja! Paulus nennt es: „den neuen Menschen anziehen“ 6
Die Etappensiege, die uns in der Bibel aufgezählt sind, beziehen sich nicht auf ein augenblickliches Verhalten, sondern eine beständige Hinwendung eines zuvor sündigen Menschen zur Heiligung und Vollkommenheit in Christus: „ … legt die Lüge ab und redet die Wahrheit … der stehle nicht mehr … dem Bedürftigen abgeben … kein faules Geschwätz … redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören … Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“ Epheser 4,24-29 „… ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ Römer 12,2.
Wer denkt, er brauche nur liebevoll sprechen und sich gut benehmen, wenn es entscheidende Leute mitbekommen, dem sei gesagt,
„dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tag des Gerichts von einem jeden nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben.“ Matthäus 12,36
Wer generell ein liebevolles Wesen hat, gewohnheitsmäßig freundlich und verständlich spricht und mit seiner Körpersprache stets einen sympathischen Eindruck macht, wird die Grundsätze einer bewussten Kommunikation leichter umsetzen können. Doch auch ihm gilt: Satan lauert überall, um uns zur Sünde zu verleiten, darum: „Habe acht auf dich selbst …“ 1. Timotheus 4,16
„Jesus ist unser Bürge und Mittler und hat alle Hilfsmittel in unsere Hände gegeben, dass wir einen vollkommenen Charakter haben können.“ 7
1.2. Kommunikationsmittel
Drei Bereiche gehören zur Kommunikation und bilden in ihrer Anwendung eine Einheit: Sprachvermögen, Sprechtechnik und Körpersprache. Auch nur eins davon zu vernachlässigen, bedeutet, die Chancen für eine erfolgreiche Kommunikation erheblich zu verringern und sogar den gegenteiligen Effekt zu erzielen. So wird ein sinngemäß freundliches Wort mit einer ablehnenden Haltung und im arroganten Tonfall vorgetragen, Feindschaft signalisieren oder zumindest als unglaubwürdig verstanden werden.
Was vermittelt einen ersten Eindruck von einer Person?
Wer hierbei vorrangig an Sprache denkt, hat damit lediglich 20% des Wirkpotenzials ausgeschöpft. Schätzungsweise 55% -75% des Ersteindrucks gehen auf das Konto der Körpersprache. 8
Die Körpersprache (nonverbal) bezieht sich auf vier Ebenen: Blickkontakt, Mimik, Gestik und Körperhaltung.
Es ist erstaunlich, dass alle diese heute als neu und wissenschaftlich angesehen Erkenntnisse bereits in der Bibel und den Spätschriften zur Bibel (Apokryphen) vorkommen:
Blickkontakt: „ … Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. …“ 1. Mose 4,7
Mimik: „Ein fröhliches Herz macht ein fröhliches Angesicht.“ Sprüche 15,13
Gestik: „Sie bereitet ihre Hände aus zu dem Armen und reicht ihre Hände dem Bedürftigen.“ Sprüche 31,20
Körperhaltung: „Man sieht‘s einem an, was für ein Mann er ist, und einen Vernünftigen erkennt man an seinem Auftreten.“ (Sirach 19,26)
Wie nahe wir einem Menschen kommen, bezieht sich in der Körpersprache auf unseren Abstand zu ihm (Distanz), ob und wie wir ihn berühren und die Bedeutung des Geruches. Wir kennen das unangenehme Gefühl, wenn uns jemand zu nah „auf die Pelle rückt“. Hier gibt es zwar kulturelle Unterschiede, doch die europäische Wohlfühlentfernung zwischen zwei Gesprächspartnern beträgt mindestens die Länge eines ausgestreckten Armes. Dieses Maß ist jedoch abhängig von der Bekanntheit und Vertrautheit zwischen den Menschen. An den körpersprachlichen Reaktionen des Gegenübers ist im Zweifelsfall abzulesen, ob wir den anderen mit zu viel Nähe bedrängen.
Bei Berührungen ist Vorsicht geboten. Hier muss mit viel Sensibilität eingeschätzt werden, wo eine Berührung, die über das normale Händeschütteln als Begrüßung hinausgeht, als aufdringlich oder gar anzüglich verstanden werden könnte und wo es nötig ist, jemanden tröstend in den Arm zu nehmen, die Hand zu streicheln oder im tatsächlichen Sinn den Rücken zu stärken.
Eine bewegende Berührung wird uns in der Bibel geschildert. Die Geschichte vom verlorenen Sohn beschreibt uns den Vater so: „Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Lukas 15,20 Hier haben wir ein Bild für Gott, der auf jeden von ihm entfernten Menschen wartet und ihm so nah kommen möchte, wie ein Vater seinem heimkehrenden Sohn.
Die Sprechtechnik und Sprechweise
Hierzu gehören Lautstärke und Sprachgeschwindigkeit, Stimmlage und Klangfarbe, Dialekt und Sprachmelodie, Aussprache und Betonung, Einsatz von Pausen und Füllwörtern.Sprechtechnik und Sprechweise sind der Moderator des sprachlichen Inhalts. Sie entscheiden in hohem Maße darüber, was wie beim Hörer ankommt. Was ein angenehmes, verständliches Gespräch ausmacht, wissen wir meist gut, denn jeder ist auch oft in der Position des Hörers. Diese positiven Elemente für die eigene Sprechweise zu nutzen, verbessert unsere Verständlichkeit. „Langsam, laut und deutlich“ mahnt der Lehrer seine Schüler vor dem Auftritt. Wir sollten uns hin und wieder daran erinnern.
2. Grundsatz: Vermeidung von Missverständnissen in der Kommunikation
Ob im privaten Bereich, in der Gemeinde oder am Arbeitsplatz, stets sind Missverständnisse eine Quelle von Ärgernissen, Disharmonien, Streit, falschen Handlungen und Fehlentscheidungen. Wenn nach so einer Irritation gesagt werden kann: „Ich habe dich/du hast mich missverstanden.“, dann ist dies noch eine erfreuliche Kehrtwende. Allzu oft aber bleiben Missverständnisse und fehlerhafte Eindrücke unerkannt, unbenannt und werden somit nicht korrigiert. Sachverhalte und Menschen werden „in eine Schublade gesteckt“, aus der sie sehr schwer wieder herauskommen. Man hat sich ein Bild gemacht, das sich manifestiert und zu dem die weitere Kommunikation passend interpretiert wird. Weil das leider zu oft so ist, sollte der Vermeidung von Missverständnissen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
2.1. Verständlichkeit
Wie teile ich was wem mit? Im Bemühen, möglichst intelligent und kompetent zu erscheinen, wird gern mit einer fach- und fremdwortgespickten Informationsfülle in verschachtelten Sätzen weit über das Ziel der Verständlichkeit hinausgeschossen.
Der Verständlichkeit dienlich sind:
– kurze, einfach strukturierte Sätze
– allgemein bekannte, verständliche Begriffe, keine Fremdworte und Fachbegriffe
– Anschaulichkeit durch Beispiele
– klare Struktur der Information („roter Faden“)
– nicht zu viele Informationen auf einmal; auf den Zuhörenden achten: Kann er noch folgen?
Im Schnitt kann sich ein Mensch fünf bis maximal neun Informationen gleichzeitig merken. Umfassende Informationen, wie sie z.B. im Arbeitsprozess vorkommen, sollten daher lieber schriftlich verfasst werden.
2.2. Wesentliches zur Vermeidung von Missverständnissen
Sprache und Körpersprache müssen übereinstimmen. Im Zweifelsfall wird eher der Körpersprache geglaubt. Die Aussage „Mir geht es prima“ – mit hängenden Schultern, in gebückter Haltung und traurigem Blick – ist unglaubwürdig.Die Betonung eines bestimmten Wortes, eine effektvolle Pause oder die Erzeugung einer besonderen Situation können bei ein und demselben Satz unterschiedliches Verstehen auslösen. „Hast du das gekocht?“, „Hast du das gekocht?“ oder „Hast du das – gekocht?“ In jedem Fall versteht es der Gefragte anders.
Das Motto lautet: Einfach und verständlich kommunizieren! Wir sind dafür verantwortlich, was beim Gegenüber ankommt.
Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden. Bei Unsicherheiten gibt es nur einen Weg: Nachfragen! „Habe ich dich richtig verstanden? Meinst du, dass …?“ „Hast du mich richtig verstanden? Habe ich mich verständlich ausgedrückt? Ich meine es so bzw. nicht so ….“ Achtung, die Fragen nicht im anklagenden Befehlston vortragen, sondern freundlich und mit warmer Stimme!
Missverständnisse können durch Feedback und Metakommunikation aufgeklärt werden. Das Feedback ist eine Rückfrage des Informationsgebers – „Was genau hast du vom Gesagten verstanden und dabei empfunden?“ oder die Rückmeldung des Hörenden – „Habe ich dich richtig verstanden, dass …“. In der Metakommunikation wird darüber gesprochen, wie man miteinander redet und sich zueinander verhält. Der eigentliche Sachgegenstand der Kommunikation wird verlassen und die Rahmenbedingungen, die emotionale Ebene und Vorerfahrungen werden betrachtet. Wichtig ist, bei einem Feedback und in der Metakommunikation nicht nur Kritik, sondern auch positive Elemente einzubringen. Andernfalls könnte eine Störung in der Kommunikation eher noch verschlimmert werden. Bei gutem Willen aber sind Feedback und Metakommunikation optimale Mittel, Missverständnisse auszuräumen.
3. Grundsatz: Beachtung der Ebenen innerhalb der Kommunikation
Das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun veranschaulicht die Ebenen der Kommunikation: 9
Hinter einer Nachricht verbergen sich der eigentliche Sachinhalt, eine Aussage über den Sprechenden (Sender), die Beziehung zwischen Sprecher und Empfänger (Hörender) und ein Appell an den Empfänger. Beispiel:
Nachricht: „Deine Krawatte ist bekleckert.“
Sachinhalt: „Die Krawatte ist schmutzig.“
Selbstoffenbarung: „Ich würde nie so ´rumlaufen.“
Beziehung: „Ich muss mich um dich kümmern.“
Appell: „Mach die Krawatte sauber!“
Während die eigentliche Nachricht mit dem Sachinhalt eine direkte Kommunikation darstellt, gehören die anderen Ebenen zur indirekten Kommunikation. Das sind die Bereiche, die gern zu Missverständnissen führen. Unsere Beziehung zum Gesprächspartner und unsere Bereitschaft zum wohlwollenden Hören und Verstehen entscheiden in hohem Maße darüber, ob die Kommunikation harmonischverständlich oder disharmonisch-missverständlich verläuft. Sender und Empfänger sollten sich bemühen, das Gespräch zu einem Erfolg zu machen: Der Sender durch verständliche, freundliche Worte und der Empfänger durch die Entscheidung, nicht „jedes Wort auf die Goldwaage zu legen“ und „nicht alles in den falschen Hals zu kriegen“.
Im obigen Beispiel könnten die Empfängerreaktionen so aussehen:
Nachricht: „Deine Krawatte ist bekleckert.“
„Aha, ich habe mich also bekleckert.“
Sachinhalt: „Die Krawatte ist schmutzig.“
„Ja, es fällt wirklich ins Auge.“
Selbstoffenbarung: „Ich würde nie so `rumlaufen.“
„So schlimm ist es nun auch wieder nicht.“
Beziehung: „Ich muss mich um dich kümmern.“
„Ich bin dankbar für den dezenten Tipp.“
Appell: „Mach die Krawatte sauber!“
„Ich geh gleich mal zum Waschbecken.“
In einer Kommunikation werden, ob bewusst oder unbewusst, Gefühle ausgelöst. Der Sender übermittelt seine Gefühle und erzeugt wiederum welche beim Empfänger. Die Palette der Möglichkeiten ist riesig. Es kann schon ausreichen, dass der Angesprochene den Eindruck gewinnt, der Sprecher sei in Eile. „Der nimmt sich keine Zeit für mich. Ich bin ihm nicht wichtig.“ Trauer, Enttäuschung und das Gefühl der Abwertung wirken nicht nur temporär, sondern werden in weitere Gespräche mit diesem Sender hineingenommen.
Der Zustand verbessert sich, wenn
a) einer oder möglichst beiden Seiten die Situation bewusst wird und
b) einer oder sogar beide bereit sind, eine Veränderung, einen neuen Start miteinander zu wagen.
„Mit dem kann ich nicht!“, „Die ist immer so …!“ oder „Der versteht mich eh nicht!“ sind festgefahrene Meinungen, die dem anderen keine Chance geben. Die Sachlage anzusprechen, wird selten etwas verschlimmern. Hier kann es nur Gewinner geben. Bleibt nicht stehen bei einem unerfreulichen Miteinander. Die Bibel rät uns: „Pflügt ein Neues und säet nicht unter die Dornen!“ Jeremia 4,3 Wir erwarten, dass Gott nach jedem Scheitern unsererseits wieder neu mit uns anfängt. Das ist unsere Aufgabe, auch unter uns Menschen immer wieder zu einem Neuanfang bereit zu sein.
Einander nicht verletzen zu wollen, sollte unser Herzensanliegen sein. Eine gute Kommunikation wird allerdings nicht daran gemessen, dass die Meinung der Gesprächspartner übereinstimmt.
Gemeint, ist nicht gesagt,
gesagt ist nicht gehört,
gehört ist nicht verstanden,
verstanden ist nicht einverstanden.
4. Grundsatz: Beachtung vorgefasster Meinungen in der Kommunikation
Der Weg einer Information vom Sender zum Empfänger gleicht oft dem Kinderspiel „Stille Post“. Was jemand ausdrücken möchte, stimmt oft mit dem tatsächlich Gesagten nicht überein. Das Gegenüber hört die Information, nimmt etwas Bestimmtes wahr und findet seine eigene Interpretation. So kann in einem Gesprächskreis ein Redner mit seinen Worten ganz unterschiedliche Reaktionen auslösen. Alle haben dasselbe gehört – und doch kam es ganz unterschiedlich bei ihnen an. Warum? Jeder bringt seine persönliche Geschichte, seinen Charakter, seine Erfahrungen und die persönliche Tagesform in den Vorgang des Hörens, Wahrnehmens und Interpretierens ein. All dies zusammen bilden seine Vor-Urteile.
Wer als Sprechender den Hörer und seine besondere Situation kennt, sollte unbedingt darauf reagieren. Die Beachtung der Hörertypologie (Zu wem spreche ich?) und das Einfühlen in die Hörerrolle (gedanklicher Rollentausch) können vor manchem Missverständnis und vor mancher Verletzung des Hörenden bewahren.
Aus erfahrungsbedingten Vor-Urteilen können nach einer auswählenden Wahrnehmung feste Vorurteile erwachsen. Die Geschichte mit dem Hammer ist ein Paradebeispiel dafür:
„Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht´s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten sie ihren Hammer, Sie Rüpel!“ 10
Das bereits unter Punkt 2 erwähnte Feedback und die Metakommunikation sind auch bei der Überwindung vorgefasster, korrekturbedürftiger Meinungen hilfreich. Wer ein Feedback gibt, sollte in der Ich-Form sprechen, konkrete Sachpunkte benennen, unbedingt auch positive und konstruktive Vorschläge unterbreiten.
Es lohnt sich, gute Freunde um ihre Meinung zu bitten, wie man kommunikativ ankommt und was wie zu verbessern wäre. In der Selbstreflexion ist ehrlich darüber nachzudenken, wie man selbst auf seine Reden reagieren würde, wenn jemand anderes sie spräche. Auch der Sprecher kann mit Vorurteilen beladen seinem Hörer entsprechend belastet begegnen. Bei all dem ist zu bedenken, dass wir alle in der Schule der Kommunikation auf dem Wege sind, „denn wir verfehlen uns alle mannigfaltig …“ (Jakobus 3,2)
Entsprechend bleiben wir Lernende, die aus der Gnade Gottes und der gegenseitigen Vergebung leben.
„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben.“ Matthäus 6,14
5. Grundsatz: Kommunikation und Beziehung beeinflussen einander
Wenn wir in der Bibel den Aufruf lesen: „Eure Rede sei allezeit freundlich!“ 11 , so ist das immer richtig. Dennoch sprechen wir mit der Nachbarin anders als mit unserem Chef, mit der trauernden Freundin anders als mit dem Kind, das gerade eine Prüfung bestanden hat. Auf ein Gespräch mit einem Mitarbeiter, mit dem wir schon mehrfach Probleme hatten, werden wir uns anders vorbereiten als auf den Smalltalk bei einer Geburtstagsfeier.
Aus der Art der Beziehung erwächst eine entsprechend angepasste Kommunikation. Gleichzeitig gestalten die Erfahrungen aus der Kommunikation mit einem Menschen die Beziehung zu diesem.
Beides, Beziehungspflege und Kommunikationsgestaltung, bedingt einander und stellt hohe Anforderungen an uns dar. Von Grundsätzen der Kommunikation bis hin zu manipulativen Tricks können wir vieles erlernen, was uns durchaus scheinbare Erfolge bescheren kann. Doch wenn uns der rechte Blick auf unseren Gesprächspartner fehlt, wenn wir uns mit der Liebe Gottes nicht beschenken lassen, um diese weiterzugeben, dann bleiben wir lediglich geschickte Redner. Gott möchte viel mehr in unserem Leben erreichen. Er möchte aus uns Menschen machen, die ihren Nächsten von Herzen nahekommen und sie aufrichtig in Wort und Tat lieben. Mit dieser Einstellung ändert sich alles. Dann ist es nicht mehr unser Ziel, ein Gespräch möglichst vorteilhaft für uns zu führen und hinterher irgendwelche Erfolge und Gewinne zu verbuchen. Sicher, auch das kann Gott nach seinem Willen schenken. Doch die Hauptsache ist, wie es dem Gegenüber geht und dass er bereichert und gesegnet aus unserem Gespräch herausgeht.
Manche Menschen neigen dazu, manchmal auch ihrer Position als Chef geschuldet, sich über ihren Gesprächspartner zu stellen. Es gibt wirklich Menschen, da haben andere stets den Eindruck, in der Defensive zu sein. Im Ergebnis duckt sich manch einer besonders tief, andere reagieren demotiviert bis hin zu aufsässig. Kommunikationsforscher empfehlen einen partnerschaftlichen Umgangston auf gleicher Ebene, auch im Berufsalltag. 12 Das ist ein Anfang, doch die Bibel möchte uns noch weiter führen:
„… dass niemand mehr von sich halte, als sich´s gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte … Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.“ Römer 12,3.10.
Gott möchte uns die Einstellung schenken, dass wir uns um die Seele unseres Gesprächspartners sorgen. Dementsprechend berührt jedes Gespräch auch Bereiche der Seelsorge. Wer spricht, steht in der Verantwortung, dem Empfänger von Informationen und Anweisungen, erst recht dem, der kritisiert werden muss oder mit dem es ein Problem zu besprechen gilt, neben aller Sachlichkeit auch Gottes Liebe zu zeigen. Im allerweitesten Sinn ist jedes Gespräch ein Missionsgespräch, das über unsere Glaubwürdigkeit als Christen mehr aussagt als gut vorbereitete Vorträge. Von Christen verletzt und enttäuscht worden zu sein, wird oft als Grund des Beziehungsabbruchs zu Gott und zur Gemeinde genannt. Einander jedoch eine Hilfe auf dem Weg zur Ewigkeit zu bedeuten, sollte auch das Anliegen unserer vielfältigen Kommunikation sein.
Quellen aus diesem Artikel
11 vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/157630/umfrage/ 2 vgl. Jesaja 1,17 3 E.G. White, Christi Gleichnisse, S. 333 4 http://www.aphorismen.de/suche?text=worte+&autor_quelle=Luther 5 vgl. Selbstlernkurs Kommunikationspraxis, Gabal Verlag 2008, S. 7 6 vgl. Epheser 4,24 7 E.G. White, Bibelkommentar, S. 431 8 vgl. Selbstlernkurs Kommunikationspraxis, Gabal Verlag 2008, S. 8.9. 9 vgl. Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden, Rowohlt Taschenbuch Verlag, S. 15 10 Watzlawick, Paul: Anleitung zum Unglücklichsein, Piper, München 1983, S. 37 11 vgl. Kolosser 4,6