Ein Schrei in der Nacht
2. Januar 2023Cerca del clímax
1. April 2023In vielen Lebenslagen entscheiden und richten wir uns nach den gegebenen Umständen. Die sind vielfältig und mehr oder weniger angenehm. Nicht immer gehen wir auf die entsprechende Situationen ein oder geben erst Antwort, wenn die damit verbundenen Umstände analysiert und berücksichtigt worden sind.
In meiner großen Bibelkonkordanz suchte ich nach dem Wort Umstände. Nur einmal konnte ich es in den Apokryphen Stücke zu Esther 5,7. finden. In diesem Kapitel wird beschrieben, wie Artaxerxes sich über die Handlungsweise seiner Untertanen beschwerte und überlegte, den Umständen entsprechende Entscheidungen zu treffen. „dabei müssen wir je nach den Umständen und Notwendigkeiten des Augenblicks unsere Anweisungen ändern und über das, was uns vor Augen kommt mit größter Sorgfalt urteilen.“ (Stücke zu Esther 5,7.)
Auch in unserem Leben kommen wir in Situationen, in denen es gut ist, vor dem Reagieren die Umstände zu berücksichtigen und dann erst zu entscheiden.
Oft gibt es Fragen, auf die wir keine oder nur ausweichende – den Umständen entsprechende -Antworten geben.
Wenn jemand fragt: „Warum ist dein Ehepartner weggelaufen?“ oder „Wie viel Geld hast du auf der Bank und wie hoch sind deine Schulden?“ oder sonstige ganz persönliche, teils sogar peinliche Fragen kommen, dann überlegen wir: ,Was geht es ihn überhaupt an? Warum will er das wissen?ʻ
Die Umstände lassen es nicht zu, genaue Antworten zu geben.
Das Bekenntnis
Etwas anders steht in Matthäus 10, 32. „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater“.
Hier geht es um das Bekennen, dass du an Gott und sein Wort glaubst, dass Jesus Gottes Sohn ist und du ein Nachfolger Jesus bist. Hier sollte die Antwort kein Fragezeichen beinhalten oder den Umständen entsprechend formuliert werden, sondern eindeutig und klar erkennbar sein.
Vor einigen Jahren war ich auf einer längeren Autobahnfahrt und um die Mittagszeit besuchte ich ein Restaurant. Nachdem ich bestellt hatte, setzte sich der Chef mit einigen Mitarbeitern an ihren Stammtisch, um ebenfalls etwas zu essen. Als ihr Essen auf dem Tisch stand, erhoben sich alle und der Chef sprach ein lautes Dankgebet.
Er setzte keine Fragezeichen hinter sein Bekenntnis, auch hat er – den Umständen entsprechend – auf anwesende Gäste keine Rücksicht oder Nachsicht genommen.
Wenn ein Chef sich vor dem Personal und den fremden Gästen so zu Gott bekennt, ist dies nichts Gespieltes, sondern ein ehrliches offenes Bekenntnis Gott und Menschen gegenüber. Dieser Mann gab Zeugnis von Gott, und zwar frei und zwanglos und ohne Rücksicht auf die Umstände. Die Umstände hätten die Gäste sein können, die vielleicht das Restaurant verlassen könnten.
Es ist nicht immer einfach, sich vor anderen Menschen zu seinem Glauben zu bekennen. Zumal es ohnehin immer weniger Menschen gibt, die noch an einen lebendigen Gott glauben. Jesus selbst stellte sich die Frage in Lukas 18,8: „wenn er wieder kommen wird, ob er noch Glauben finden werde auf Erden?“
Diese Frage erfüllt sich immer mehr in der Antwort, die Menschen oft geben. Sie meinen, keinen Gott mehr zu brauchen und denken, sie hätten ja alles im Griff.
Unlängst meinte ein Wissenschaftler, dass sich das menschliche Leben bald auf gut 120 Jahre verlängern ließe. Man hätte gewisse Gene entdeckt, die man beeinflussen könne, um dadurch das Leben zu verlängern.
Als in den 60-er Jahren die ersten Einwanderer moslemischen Glaubens kamen, konnte man auf offener Straße sehen, wie sie zu bestimmten Zeiten auf ihren Gebetsteppichen knieten und zu Allah beteten. Sie bekannten sich vor fremden Menschen zu ihrem Glauben. Heute haben sie prachtvolle Moscheen und müssen nicht mehr auf den Straßen knien.
Jesus bekannte er sich zu seinem himmlischen Vater, als er in seine Vaterstadt nach Nazareth kam. Als er am Sabbat in der Synagoge predigte, fragten sich viele, woher dieser die Weisheit hätte, so zu predigen. Doch als sie aber dahinter kamen, dass er „nur der Zimmermann“ war, ärgerten sie sich über ihn. (vgl. Markus 6.1) Zuerst war es die Verwunderung, danach das Ärgernis.
Das war so ein Umstand: „er ist doch nur ein Zimmermann“. Dieser Umstand „Zimmermann“ war es, der die Leute in Unruhe versetzte.
Was sagte Jesus ihnen? „…ein Prophet gilt nirgends weniger als bei den Verwandten oder im eigenen Hause.“ (Markus 6,4)
Da fehlte es den Anwesenden an Achtung und Wertschätzung. Sie waren misstrauisch geworden, vielleicht neidisch, und jetzt wollte Jesus als der große Mann auftreten, wo er doch nur ein Zimmermann war? Das Glaubensbekenntnis vor den eigenen Leuten und in der Verwandtschaft kann viel Unruhe auslösen.
In Markus 1,21.22 erfahren wir, wie Jesus in Kapernaum „in die Synagoge ging und lehrte, und sie entsetzten sich über seine Lehre, denn er redete mit Vollmacht und nicht wie die Schriftgelehrten.“ Bei den Schriftgelehrten war der Glaube meist Theorie, aber Jesus war ein Pragmatiker. Jesus hat den Glauben gelebt und sich nicht den negativen Umständen entsprechend verhalten.
Bekenntnis und Glaubensmut
Die Jünger gingen von Haus zu Haus, sollten nichts mitnehmen und nur das Evangelium den Menschen bringen. Sie mussten sich zu dem lebendigen Gott bekennen! (vgl. Markus 6,7-12)
In Matthäus 26,69-75 erfahren wir von gewissen Umständen, die vor allem Petrus zu schaffen machten. Dieser Jünger sah die Umstände vor Augen, nämlich die Gefahr von Gefängnis und Tod, wenn er sich zu Jesus bekennen würde.
Der Umstände halber verleugnete er Jesus. Petrus musste Erfahrungen machen und ist in seinem Glaubensleben gewachsen. Danach hat sein Glaube nicht mehr auf die negativen Umstände geachtet, und er bekannte sich überall zu Jesus.
Als der Hohe Rat dem Petrus und Johannes verboten, im Namen Jesus zu sprechen, war ihre Antwort „wir können`s ja nicht lassen von dem zu reden was wir gesehen und gehört haben“. (Apostelgeschichte 4,17-20.)Petrus und Johannes beachteten die Umstände nicht mehr. Mit Überzeugung standen sie vor dem Hohen Rat und bekannten sich zu ihrem Glauben als Nachfolger Jesu.
Die Sünderin bekannte sich zu Jesus. Der Umstand, dass ein Pharisäer anwesend war, hat sie nicht gestört. Sie nahm keine Rücksicht auf diesen Umstand. (vgl. Lukas 7, 36-50.)
Was waren es für Umstände, die Judas geplagt hatten, Jesus zu verraten?
Es waren die Umstände der Geldgier, die Judas ins Unglück stürzten. (vgl. Markus 14, 10.11.44.)
Die Samariterin ignorierte die Umstände der Nationalität. Sie war Samariterin und Jesus war Jude. Diese Nationen hatten sich nicht vertragen. Aber sie hörte und glaubte. Die Nationalität interessierte sie nicht mehr! (vgl. Joh.4,28 – 30) Das Ergebnis war, dass sie in die Stadt lief und Das Erlebte verkündete. Die Leute kamen aus der Stadt und glaubten an Jesus. Die Samariterin ist eine Missionarin geworden, weil sie keine Rücksicht auf die nationalen Umstände nahm.
Bekennen – aber wie?
Entscheidend ist, in welchem Geist die Menschen angesprochen werden.
Ich kannte eine ältere Frau, die am frühen Morgen mit der Bibel in der Hand mitten auf der Straße den Berufsverkehr aufhielt. Aufdringlich sprach sie die Leute im Auto an, sie sollen Jesus annehmen und an ihn glauben. Fanatisch missionierte sie und verärgerte die Leute mit ihrer Aufdringlichkeit! Einige Zeit später hörte ich, dass sie sich in einer Scheune erhängt hatte.
Jesus hatte die Leute nicht bedrängt, wie diese Frau auf der Straße. Auch ist er nicht mit Vorwürfen auf die Menschen zugegangen. Der Samariterin z. B. ist er mit Achtung und Feingefühl begegnet.
Zeugnis aus „Bilder vom Reichte Gottes: „Zurechtweisung muss unter allen Umständen (trotz aller Umstände) von Liebe geprägt sein, denn nur so kann Zurechtweisung helfen, statt den anderen zu verbittern.“ „Zurechtweisung muss unter allen Umständen von Liebe geprägt sein, denn nur so kann sie helfen, statt den anderen zu verbittern.“ E.G. White, Bilder vom Reiche Gottes, S. 275 Wir dürfen diese Erklärung auch so verstehen: Zurechtweisung muss trotz aller Umstände von Liebe geprägt sein.
Die Bibel nennt auch Umstände, in denen das Heilige, das Wort Gottes, nicht weitergeben werden sollte. Diese Umstände sind Situationen, in denen von vorn herein Spott und Hohn zu erwarten sind. In Matthäus 7,6. lesen wir davon: „…das Heilige nicht den Hunden geben und eure Perlen nicht vor die Säue werfen … und sie sich umdrehen und euch zerreißen!“
Hier hat Gott die Grenzen gesetzt, dass sein Wort nicht durch Spott und Hohn ins Lächerliche gezogen werden darf.
Bekennen – aus der Mode gekommen?
Der Märtyrer Stephanus redete vor dem Hohen Rat die Wahrheit. (vgl. Apostelgeschichte 7, 51-53) Vers 54 besagt: „…als sie das hörten, gings ihnen durch Herz und sie knirschten mit den Zähnen über ihn … “ und Vers 58 gipfelt: „…und stießen ihn zur Stadt hinaus und töteten ihn…“
Stephanus richtete sich nicht nach den Umständen. Er warf dem Hohen Rat viele Versäumnisse vor, obwohl er damit rechnen musste, dass durch das offene Bekenntnis seine Lebenszeit abgelaufen ist.
Ähnliches Verhalten wie das der Hohenpriester zeigt sich heute auch. Die meisten Menschen wollen nichts mehr von Gott und dem christlichen Glauben hören. Gottlosigkeit, Spott, Hohn und Zweifel zeigen sich überall.
Ich las einmal ein Buch über die Schwäbische Alb, über Dörfer, Menschen und ihr religiöses Leben, aus der Zeit der 1940-er Jahre. Die Leute waren weitgehend noch fromm und hatten Achtung vor dem Wort Gottes. Der Autor beschrieb, wie die Bauern auf dem Feld standen und zu gewisser Zeit, wenn sie die Kirchenglocken aus der Ferne hörten, gemeinsam beteten. „ …vorher wurden alle Gespanne auf den Äckern angehalten, alle Hüte und Kappen werden herunter genommen, und um die Hauenstiele (Gerätestiel )falten sich die Hände zu einem Gebet.“
Damals glaubten die Menschen noch und hatten Achtung vor dem Glaubensleben und der Bibel.
Während der Reformator Martin Luther noch die Bibel hochhielt und sagte: „Die Bibel ist nicht antik, auch nicht modern, sie ist ewig.“ (https://www.gratis-spruch.de/sprueche/id/9380 Aufruf: 3.8.22), scheint die Wertschätzung Gottes Wort gegenüber mehr und mehr abzunehmen. Die großen Kirchen fungieren als Barometer und zeigen den Abwärtstrend an Mitgliederzahlen an. Das Christentum als Volksglaube schwindet mehr und mehr.
(Vgl. https://neuesruhrwort.de/2021/12/22/umfrage-bindung-an-christentum-nimmt-ab/ Aufruf: 3.8.22)
Wer heute als Christ die Bibel hochhält, wird schnell in die Ecke der Fundamentalisten gesteckt. Glaubenstreue und Bekennermut erscheinen als Relikte aus einer Zeit der Uninformierten und Unaufgeklärten. Heute scheint das Motto zu lauten: Stelle alles in Frage und zweifle alles an! Nimm nichts so genau und lege dich nicht fest! (Vgl. https://www.ekiba.de/detail/nachricht-seite/id/2420-was-ist-christlicher-fundamentalismus/?cat_id=37 Aufruf: 3.8.22)
Wie sollten wir diese Veränderungen in der Welt bewerten?
Uns begegnet nichts, was nicht schon in der Bibel stünde. Was fragt Jesus bei seinem Wiederkommen? „Doch wenn der Menschensohn kommen wird, wird er dann Glauben finden auf Erden?“ (Lukas 18,8) Je mehr wir in die Welt hinein hören, desto weniger Echo des christlichen Glaubens kommt zurück. Das braucht und darf uns nicht den Glaubensmut rauben. Im Gegenteil. Die Wiederkunft Jesu rückt näher. Das sollte uns nicht erschrecken oder verzagen lassen, sondern den Wunsch der Vorbereitung und Vorfreude vergrößern.
„Der Herr lässt Umstände eintreten, die ein geduldiges Verhalten erfordern. … In der Zeit der Schwierigkeiten verspüren wir den unschätzbaren Wert des Heilandes. … Ach, es ist so einmalig zu wissen, dass uns Gelegenheiten gegeben werden, selbst im Hinblick auf Gefahr, Sorge, Krankheit, Schmerz und Tod unseren Glauben zu bekennen. … Für uns hängt alles davon ab, wie wir die Wege des Herrn annehmen.“ (E.G. White, Ausgewählte Botschaften Band 1, S. 119)
Wichtig für uns ist, dass wir nicht die negativen Umstände zu sehr in unserem Glaubensleben berücksichtigen, wodurch der Glaube eher geschwächt würde. Stattdessen lasst uns gestärkt werden – durch die Bibellese, das Gebet, die Glaubenspraxis mit Bekennerfreude und das christliche Miteinander unter den Glaubensgeschwistern.
Erwin Heß
Der Beitrag erschien in Der Sabbatwächter 2023 – 2.