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20. Februar 2020Laodizea als Christengemeinde
Laodizea wird in der Bibel als eine frühchristliche Gemeinde beschrieben. Im Vordergrund der Betrachtung dieser Gemeinde steht meist das siebte Sendschreiben aus der Offenbarung (vgl. Offb. 3,14-22 . Die Christen dieser herausragenden Stadt werden ausnahmslos getadelt. Nichts ist es wert, positiv erwähnt zu werden. Das alles beherrschende Problem dieser Gemeinde war die völlige Fehleinschätzung ihrer eigenen Situation. Die Mitglieder hielten sich für vollkommene Menschen, die nichts mehr benötigten – weder im Charakter, noch an Erkenntnis; weder in der Erlösung noch in der täglichen göttlichen Begleitung. Laodizea steht somit sinnbildlich für Realitätsferne und Arroganz.
Diese Christengemeinde lag dem Apostel Paulus sehr am Herzen. „Ich will euch nämlich wissen lassen, welchen Kampf ich um euch führe und um die in Laodizea …“ Kol. 2,1 Diese Christen benötigten Paulus besondere Aufmerksamkeit. Laodizea den Spiegel vorzuhalten, damit es sich erkennt, war ein wesentliches Anliegen, damit der Bußaufruf auf fruchtbaren Boden fiel. „… So sei nun eifrig und tue Buße!“ Offb. 3,19
Ein Brief an Laodizea?
Paulus war ein eifriger Mahner, Tröster und Ratgeber. Warum ist uns kein Brief an diese überaus bedürftige Gemeinde in der Bibel überliefert? Gibt es vielleicht keinen? In seinem Brief an die Kolosser erwähnte Paulus einen Brief an Laodizea: „Und wenn der Brief bei euch gelesen ist, so sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde von Laodizea gelesen wird und dass ihr auch den von Laodizea lest.“ Kol. 4,16
Die paulinischen Briefe wurden reihum in den Gemeinden gelesen, was ihnen den Namen Zirkularbriefe einbrachte. Diese praktische und effektive Vorgehensweise bescherte allen Gemeinden gleichermaßen Wegweisung, Ermutigung und Mahnung. Dies macht aber auch die Zuordnung einzelner Briefe an spezielle Gemeinden schwierig.
In den biblischen und außerbiblischen Schriften gibt es nur wenige Hinweise auf einen Brief an die Gemeinde Laodizea. Ein Hinweis findet sich im „Canon Muratori“ aus dem 3. Jahrhundert (3), eine andere bei dem Theologen Marcion. Schon frühzeitig begannen Menschen, die christlichen Schriften zu sammeln. Einer von ihnen war Marcion, der im ersten und zweiten Jahrhundert lebte. Seine theologischen Sichtweisen brachten ihm die Verwerfung seiner Lehren als Häresien ein. Sein Gottesbild, welches stark durch gnostische Einflüsse bestimmt war, widersprach weitestgehend der Deutung der damaligen Kirche. Als Marcionismus ging es in die Geschichte ein. Dennoch hat die Nachwelt auch diesem Mann etwas zu verdanken, denn er bemühte sich um die Sicherung christlicher Schriften. Nach einer Sichtung stellte Marcion einen ersten biblischen Kanon aus zehn Paulusbriefen und einem nach seiner Theologie bearbeitetem Evangelium zusammen. (4) Dieses Evangelium wird heute dem Lukasevangelium sehr ähnlich vermutet, allerdings ohne den alttestamentlichen Bezug. (5)
Dieser Marcion hat das heute als Epheserbrief bekannte Schreiben als Laodizeabrief bezeichnet. Unter der Berücksichtigung, dass generell ein Irrtum möglich ist, bleibt doch folgendes zu bedenken: In wichtigen alten Handschriften ist die Adresse, genauer die Ortsangabe, nicht enthalten. „Paulus, ein Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes, an die Heiligen – in Ephesus – (als Einfügung), die Gläubigen in Christus Jesus:“ Epheser 1,1 Die Lutherbibel 1984 vermerkt diese Tatsache im „Kleingedruckten“.
Einige theologische Forscher vermuten, dass die unrühmliche Laodizeagemeinde kein rechtes Aushängeschild für die Kanonisierung der Bibel war und man deshalb die Adresse änderte. So könnte aus dem ursprünglichen Brief an Laodizea unser Epheserbrief geworden sein. Eine andere Möglichkeit wäre, dass dieses Schreiben ursprünglich ein Zirkularschreiben an die paulinischen Gemeinden in Kleinasien gewesen sein könnte und gar keine Zuschreibung an eine spezielle Gemeinde enthielt. (6)
Die Bedeutung des Adressaten
Die biblischen Schriften sind grundsätzlich an alle Menschen adressiert. Jedes Bibelwort soll den Leser persönlich ansprechen. Für ein tieferes Bibelverständnis ist es hilfreich, Zeit und Umstände und eben auch den Empfängerkreis genauer zu betrachten. Wem wurde was warum geschrieben?
Die Abfolge der sieben Sendschreiben in der Offenbarung ist keine wahllose Auflistung tatsächlicher Ortsgemeinden. Obwohl diese Orte mit ihren Christengemeinden auch tatsächlich existierten, handelt es sich zusätzlich um eine Darstellung der Geschichte der Christenheit in einer Chronologie. Laodizea wird als letzte, als siebente Gemeinde genannt. Sie verkörpert die Gemeinde am Ende der Menschheitsgeschichte.
Durch die biblischen Prophezeiungen und die Schilderung der Ereignisse unmittelbar vor der Wiederkunft Jesu (vgl. Matthäus 24) ist erkennbar, dass sich diese Welt in ihrem letzten Abschnitt des Bestehens befindet. Laodizea als letzte Gemeinde und wir als Christen der Endzeit gehören demnach zusammen.
Aus dieser Parallelität erwächst die besondere Bedeutung eines speziellen Briefes an die Endzeitgemeinde. Wenn es tatsächlich zutreffen sollte, dass der Epheserbrief zuerst an Laodizea gerichtet war, dann halten wir mit diesem Paulusbrief eine für unsere Zeit zugeschnittene Botschaft in den Händen. Es könnte für uns lohnend sein, das als Epheserbrief betitelte Bibelbuch einmal aus diesem Blickwinkel zu betrachten.
Der Epheserbrief aus der Sicht einer Endzeitbotschaft
Betrachten wir die Worte des Paulus in diesem Brief, der an Laodizea geschrieben sein könnte – an eine von sich überzeugte und mit sich zufriedene Gemeinde. „Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!“ Offb. 3,17
Der Reichtum in Christus
Paulus beginnt seinen Brief mit dem Lob Gottes (ab Eph. 1,3 . In dieses Lob eingebunden ist die Schilderung des tatsächlichen Reichtums der Gemeinde. Alle Kriterien, die eventuell die Laodizea-Christen zur Selbsterhöhung geführt haben könnten, beschreibt Paulus als Geschenke Gottes – als Gnade und nicht als Verdienst. Es werden aufgezählt:
– die Erwählung in Jesu Liebe (V. 4)
– die Vorherbestimmung zur Gotteskindschaft durch Jesus Christus (V. 5)
– die Begnadigung (Erlösung) durch Jesus (V. 6.7.)
– die Erkenntnis des göttlichen Willens, weil Gott selbst es zuließ (V. 9.10.)
– das Erbe der Ewigkeit durch Christus (V. 11)
– die Versiegelung mit dem Heiligen Geist durch Christus (V. 13)
In diesen Versen findet sich eine stetige Betonung der Quelle allen Segens: Jesus Christus. Was auch immer ein Christ als Reichtum empfinden kann, ohne Christus wäre es nicht existent. Das Zentrum des Christseins ist das Leben in der Gerechtigkeit Christi. Die Bibel symbolisiert dies mit „weißen Kleidern“. Dieser Mangel wird im Sendschreiben an Laodizea aufgezählt (vgl. Offb. 3,18
Gleichzeitig wird im untersuchten Brief indirekt die menschliche Schwäche angeprangert, etwas darstellen, etwas sein zu wollen. „damit wir etwas seien …“ (V. 12) Laodizea weist jeglichen Bedarf von sich. Sie sind schon etwas. „… zum Lob seiner Herrlichkeit“ vollendet der Apostel diesen Satz. Hiermit werden jedem Christen sein Platz und seine Aufgabe zugeteilt. Unermessliche Gaben sind ihnen anvertraut. Die Lösung dieser Gaben vom Geber bedeutet gleichzeitig deren Verlust. Alles wurde den Kindern Gottes geschenkt, um damit Gott zu verherrlichen.
Paulus geht in seinem Brief mit großer Weisheit, mit zartfühlendem Takt vor und formuliert mit aller Vorsicht, um die Leser nicht zu verletzen. In Vers 15, 1. Kapitel, lobt er den Glauben und die Liebe der Gemeinde. Er drückt sein großes Wohlwollen aus und dankt Gott für diese Christen. Spätestens jetzt wissen die Empfänger der Zeilen: Hier schreibt jemand, der uns liebt und achtet. An dieser Stelle könnte das Anliegen des Paulus enden. Die Gemeinde hat alles: Glauben und Liebe. Von Laodizea wissen wir, dass ihr geraten wird, „Gold zu kaufen“ – ein Symbol für Glauben und Liebe (vgl. Offb. 3,18 . Es könnte sein, dass Paulus hier den Glauben und die Liebe einer Gemeinde lobt, die davon im besten Fall zu wenig hat. Offenbar ist hier ein Einstieg gewählt worden, der nun die Leser für Belehrung, Rat und Mahnung öffnet.
Paulus bittet Gott darum, dieser Gemeinde den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu schenken, damit sie Gott erkennen mögen (V. 17). Hätte die Gemeinde diesen Geist bereits besessen, hätte Paulus dafür danken und um dessen Erhalt bitten können. Es muss ein Bedarf vorliegen – im Gegensatz zu „Ich brauche nichts!“ Offb. 3,17 . In Vers 18 wird ein Bild aufgegriffen, das einen deutlichen Bezug zum Sendschreiben an Laodizea hat. (vgl. Off. 3,18 Paulus bittet um „erleuchtete Augen des Herzens“. Die Hoffnung, das Erbe und die Kraft in Jesus sollen erkannt werden. Das erste und zweite Kapitel beschäftigt sich hauptsächlich mit der Absicht, den Empfängern Christus als Quelle aller Segnungen darzustellen. Dies könnte wirklich zu einer Gemeinde passen, die sich ihres Reichtums rühmt – und Christus aus dem Auge verloren hat. Hier sind „erleuchtete Augen des Herzens“ und „Augensalbe“ nötig. (vgl. Eph. 1,18, Offb. 3, 18
Das christliche Miteinander
Laodizea ist mit sich zufrieden. Von den Sendschreiben aus der Offenbarung ist diese Gemeinde herausragend. Sie erreicht einen Negativrekord, denn kein noch so kleines Lob kann über sie verzeichnet werden. Es darf resultiert werden, dass weder ihre Gottesbeziehung noch ihre zwischenmenschlichen Beziehungen löblich waren. Vor diesem Hintergrund wirken die paulinischen Mahnungen im vierten und fünften Kapitel wie eine Reaktion auf einen festgestellten Mangel. In der Annahme, dies könnte auch eine explizite Endzeitbotschaft sein, ist jeder heute lebende Christ in diese Mahnung eingeschlossen.
Einige Kerngedanken sollen herausgegriffen werden:
– Lebt eurer Berufung würdig – in Sanftmut, Demut und Geduld! (vgl. 2,1.2.)
– „Ertragt einer den andern in Liebe.“ (2,2)
– Wahrt die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens! (vgl. 2,3)
– Ihr seid der Leib Christi, an dem jeder eine Aufgabe zu erfüllen hat. (vgl. 2,11.12.15.16.)
– Lasst euch nicht durch falsche Lehren verführen“ (vgl. 2,14)
– „Legt ab von euch den alten Menschen … und zieht den neuen Menschen an …“ (2,22-24)
– „Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.“ (2,32)
Das fünfte Kapitel betont die Liebe: „Lebt in der Liebe“ ist das Schlüsselwort (5,1). Paulus belässt es nicht bei dieser abstrakten Formulierung. Er zählt bis ins Kleinste auf, was zu einem Leben in Liebe gehört. Er geht in den Bereich der Gottesbeziehung, der Wichtigkeit der Gebote Gottes und des christlichen Miteinanders. „Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ (5,8.9.) Bis in die kleinste Zelle der Gesellschaft und Gemeinde dringt die Mahnung vor: in die Ehe und Familie. Die Botschaft der Liebe durchdringt jede Mahnung. Könnte diese Botschaft in der letzten Zeit dieser Welt besonders wichtig sein? Ein Kennzeichen der Endzeit ist das Erkalten der Liebe in vielen Menschen. (vgl. Matth. 24,12
Der Ausdruck der Bedürftigkeit
Laodizea meint, nichts zu bedürfen – und steht doch völlig schutzlos da, wenn sie die geistliche Waffenrüstung nicht anlegt. Die Offenbarung bezeichnet Laodizea als „elend und jämmerlich, arm blind und bloß“ (vgl. Offb. 3,17 .
Paulus betont in seinen Schlussgedanken: „Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke.“ (6,10)
Die Empfängergemeinde dieses Paulusbriefes erhält viele Zurechtweisungen. Paulus lässt seine Leser wissen, wie wichtig sie ihm sind: „höre ich nicht auf, zu danken für euch, und gedenke euer in meinem Gebet.“ Eph. 1,16 In der Offenbarung wird im Anschluss an die Mahnungen an Laodizea dieser Gedanke wiederholt, wenn Gott sagt. „Welche ich liebhabe, die weise ich zurecht und züchtige sie.“ Offb. 3,19
Hoffnung für die Christen der letzten Zeit
Laodizea ist eine Gemeinde in größter Bedürftigkeit, doch voller Chancen. Ihr Zustand kann sich ändern. Die Laodizeagemeinde wird in der Offenbarung zur Buße aufgerufen. Das ewige Leben wird ihr angeboten, wenn sie Christus aufnimmt. (vgl. Offb. 3,19.20.
Paulus drückt sich ähnlich hoffnungsvoll für die Gemeinde aus, die er zuvor wortreich ermahnte: „Friede sei mit den Brüdern und Liebe mit Glauben von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Die Gnade sei mit allen, die liebhaben unsern Herrn Jesus Christus, in Unvergänglichkeit.“ Eph. 6,23.24.
Auch wenn alle diese Worte ursprünglich an die Gemeinde von Ephesus oder Laodizea gerichtet wurden, sie gelten uns, jetzt und heute!
Marcus Müller
Verweisstellen:
(1) Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Laodikeia_am_Lykos (aufgerufen am 22.12.2015, 16,31 Uhr)
(2) vgl. http://www.kuris-reisen.de/turkei_2009_laodicea.html (aufgerufen am 22.12.2015, 16,33 Uhr)
(3) Vgl, Berger, Klaus und Nord, Christiane: Das Neues Testament und frühchristliche Schriften, 1999, Frankfurt am Main, S. 1190.
(4) Die Werke von Marcion sind nicht überliefert. Zitate und Berichte sind aber bei anderen Autoren, z.B. Tertullian, erhalten.
(5) vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Marcion (aufgerufen am 22.12.2015, 16,36 Uhr)
(6) Vgl. Diebelius, Martin: An die Kolosser, Epheser, an Philemon: in Handbuch zum Neuen Testament, Band 12, Tübingen 1953