Verständnis statt Missverständnis
20. Februar 2020Das Herz der Eltern zu den Kindern bekehren
20. Februar 2020Das hängt ganz davon ab, wer die Tasse ausgeschüttet hat! Hat ein Erwachsener den Kaffee verschüttet, wird er getröstet: „Ach, das ist doch nicht so schlimm! So ein Missgeschick kann jedem passieren!“ Eiligst wird das Tischtuch gewechselt oder zumindest die Kaffeepfütze trockengelegt. Was aber, wenn ein Kind die Tasse umwarf? Dann gibt es ein gewaltiges Donnerwetter: „Kannst du denn nicht aufpassen! Sieh nur, was du angerichtet hast! Jetzt ist die schöne Decke schmutzig! Du darfst nicht mehr bei uns sitzen, so böse wie du bist! Geh und iss deinen Kuchen in der Küche auf! Komm mir nicht mehr unter die Augen!“
Habe ich übertrieben oder haben wir das nicht alle schon erlebt? Mir ist auch in anderen Situationen aufgefallen, dass von Kindern sehr viel mehr erwartet wird, als von Erwachsenen,
z. B.:
- Macht ein Kind einen Fehler, ist es unartig.
- Entscheidet sich ein Kind für einen falschen Weg, bekommt es Schelte.
- Handelt ein Kind aus Unwissenheit falsch, sagt man: „Du bist dumm.“
- Schafft ein Kind nicht alle angeordneten Aufgaben, heißt es: „Du bist faul.“
- Gibt ein Kind seiner Lebensfreude fröhlich Ausdruck, hört es: „Du bist zu laut!“
- Wenn Kinder viele Fragen stellen, wird geseufzt: „Ihr seid anstrengend.“
- Wollen Kinder auch mal etwas sagen, heißt es: „Wenn Erwachsene reden, sei still!“
- Von Kindern wird erwartet, dass sie stundenlang bei den Vorträgen Erwachsener zuhören.
- Ein Kind soll dankbar und zufrieden sein mit dem, was man ihm anbietet.
- Ist ein Kind einfach nur Kind, wird es ermahnt: „Sei nicht so kindisch!“
… Und Erwachsene?
Wie ist das mit uns Großen?
Sind wir schon am Ende unseres Wachstums- und Reifeprozesses angekommen, konnte Gott schon unsere Erziehung abschließen und uns mit dem Prädikat „vollkommen“ entlassen? Ich denke nicht. Wir sind noch auf dem Weg, mancher auf Umwegen, vielleicht sogar auf Abwegen. Es vergeht kein Tag, der nicht mit Fehlern, Versäumnissen, Schuld, Irrtümern, Missgeschicken, falschen Gedanken, unfreundlichen Worten oder traurigen Taten beladen ist – also, an dem wir sündigten. Wir wissen das und allein der Gedanke an einen barmherzigen, vergebenden Heiland lässt uns getrost unseren Lebensweg weitergehen. Spätestens am Abend beten wir: „Herr, vergib …!“ Dann können wir getröstet einschlafen. Wir fühlen uns geborgen in Gottes Hand.
Und das Kind nebenan im Kinderzimmer?
Mit welchen Gedanken liegt der oder die Kleine in seinem Bettchen? War es unartig und die Eltern mussten sehr mit ihm schimpfen? Je mehr das Gewissen und Empfinden des Kindes noch heil sein darf, wird es seine Schuld empfinden. Es ist traurig, vielleicht sogar verzweifelt und weiß nicht wohin mit seinem Kummer. War das Letzte, was es von den Eltern hörte: „Du warst heute ganz und gar böse!“ und eine laut knallende Tür?
Was geschieht mit einem Kind, das mit seinen Eltern und mit Jesus keinen Frieden schließen kann? Es lernt, ohne diesen Frieden zu leben. Das Kind erfährt, dass seine Eltern ihm nicht vergeben. Wie sollte es dann der allmächtige Gott im Himmel tun? Eltern nehmen ihren Kindern viel vom vertrauensvollen Verhältnis zu Christus weg, zerstören es vielleicht ganz, wenn sie nicht zuhören, annehmen und vergeben können.
„Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen!“ Epheser 4,26 Das gilt nicht nur für Erwachsene unter sich. Gerade ein Kind droht psychisch zu erkranken, wenn ihm keine liebevolle Vergebung zuteilwird.
In dem Büchlein „Familie als System“ von Michiaki und Hildegard Horie (Brockhaus Verlag 1994) lesen wir.
„Ein Kind muss wissen, dass es geliebt wird. Es muss wissen, dass es nicht auswechselbar ist. Es muss wissen, dass es Vater und Mutter etwas wert ist. Das ist sein Grundbedürfnis. Dieses Bedürfnis ist nicht falsch oder zu verurteilen, es ist dem Menschen von Gott mitgegeben, es ist ein Stück seiner Natur.“ (Seite 53)
„Kinder müssen Schwierigkeiten bewältigen, die für sie genauso schwer zu tragen sind, wie die Belastungen Erwachsener. Auch Eltern fühlen sich nicht immer gleich wohl. Oft sind sie durch irgendein Ereignis verwirrt. Sie kämpfen gegen falsche Einstellungen und Gefühle an. Satan reizt sie und sie geben seinen Versuchungen nach. Sie sprechen ungeduldig in einem Ton, der ihre Kinder zornig macht. Manchmal sind sie streng und verärgert. Manchmal scheint alles verkehrt zu laufen. Alle fühlen sich elend und unglücklich. Die Eltern schieben die Schuld auf ihre armen Kinder und halten sie für sehr ungehorsam und eigensinnig, während die Ursache des allgemeinen Durcheinanders in ihnen selbst liegt.“ (E.G. White, Wie führe ich mein Kind? S. 126)
Haltet das Gewissen lebendig!
Wir kennen die Charakteristik eines gewissenlosen Menschen. Es scheint ihn nicht zu stören, dass er schuldig wurde, andere verletzte oder Schaden anrichtete. Mit Sicherheit war dieser Mensch nicht immer so, denn Gott hat jedem Menschen ein Gewissen gegeben – ein Empfinden für Recht und Unrecht und das Wahrnehmen des eigenen Fehlverhaltens. Das Gewissen kann durch Erziehung und Erfahrungen abstumpfen oder sogar absterben (siehe Epheser 4,19 .
Kinder sollten erleben, dass das sogenannte „schlechte Gewissen“ der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung ist. Gott ruft uns, unsere Schuld einzusehen, einzugestehen und um Vergebung zu bitten. Natürlich muss auch Schaden, soweit es möglich ist, in Ordnung gebracht werden.
„Du bist böse!“ ist eine Aussage, die einem Kind keinen Raum für das Hören auf das Gewissen lässt. Es empfindet sich ja mit seiner gesamten Person und jedem Handeln als „böse“. Wenn wir aber konkret werden: „Was du gerade getan hast, ist böse!“, dann lassen wir die Möglichkeit zur Unterscheidung zwischen richtigem und falschem Verhalten. Erst so kann ein Kind lernen, sich für einen guten Weg zu entscheiden. Ein Kind, das seine Eltern liebt und deren Liebe spürt, möchte ihnen keinen bewussten Kummer machen. Es wird sich freuen, seine Eltern glücklich zu sehen. Wer diese wesentlichen Empfindungen in jungen Jahren zerstört, wird mit zunehmendem Alter des Kindes immer mehr Probleme bekommen.
„Die Gefahr besteht darin, dass Eltern und Lehrer zu viel vorschreiben und befehlen und dabei versäumen, mit ihren Kindern und Schülern in ein hinreichend persönliches Verhältnis zu kommen. Sie verhalten sich häufig zu reserviert und üben ihre Macht in einer kalten, gefühllosen Weise aus, die die Herzen ihrer Kinder und Schüler nicht zu gewinnen vermag. Wenn sie den Kindern näherstünden und ihnen zeigten, dass sie sie lieben und für alle ihre Bemühungen Verständnis haben, selbst für ihre Späße, und sich selbst manchmal als Kind unter Kindern fühlten, machten sie die Kinder sehr glücklich und gewönnen ihre Liebe und ihr Vertrauen. Die Kinder liebten dann eher ihre Eltern und Erzieher und achteten ihre Autorität.“ (E.G. White, Das adventistische Heim, engl. S. 192)
Sei ein Vorbild – im Umgang mit deinen eigenen Fehlern!
Unsere Kinder hatten den Abendbrottisch besonders hübsch gedeckt. „Patsch!“ ist doch wieder ein Glas umgefallen und alle Leckereien schwammen. Wem ist das passiert? Mir! Wisst ihr, wie man sich dann fühlt? Sicher wisst ihr das und glaubt mir, ein Kind fühlt sich ebenso mies. Ich habe mich entschuldigt und fleißig aufgewischt. Alle halfen mit. Übrigens haben meine Kinder auch nicht mit mir geschimpft!
Sich entschuldigen als Großer ist für manchen eine Art Herunterbeugen zu dem Geringen, das ihm sehr schwerfällt. Ich hatte nie den Eindruck, dass unsere Kinder mich weniger achten oder respektieren, wenn ich Fehler zugebe. Im Gegenteil, sie waren getröstet, dass ich mit ihnen auf dem Weg der Heiligung, des Glaubenskampfes und des Lebens aus der Vergebung bin. Ich bin kein Über-Mensch, keine Über-Mutter. Unseren nun schon erwachsenen Kindern sage ich manchmal: „Wir haben alle Fehler mit euch gemacht, so gut wir konnten.“ Was will ich damit sagen? Es ist nicht alles perfekt gelaufen, doch wir haben stets aus Liebe und nach unserem besten Wissen gehandelt. Wir sind darauf angewiesen, dass Gott unseren Mangel ausgleicht und dürfen Gott danken und loben für seine Gnade!
„Der Herr hält alle, die da fallen, und richtet alle auf, die niedergeschlagen sind.“ Psalm 145,14
„Wenn ihr Kinder mit sonderbaren Eigenschaften habt, so lasst doch immer Wolken der Ermutigung über ihrem Leben schweben. Helft ihnen durch Mitgefühl und Verständnis. Unterstützt sie durch liebevolle Worte und freundliche Handlungsweise bei der Überwindung ihrer Wesensfehler.“ (E.G. White, Wie führe ich mein Kind? S. 127)
Gestehe deinen Kindern zu, was du für dich beanspruchst!
Gott liebt Eltern! Ihr Eltern, liebt eure Kinder und bringt sie zu Jesus!
Ich weiß, dass Gott meine Fehler sieht. Aber er liegt nicht beständig auf der Lauer, um sie mir unter die Nase zu reiben, mir vielleicht noch Fallen zu stellen und sich an meiner Unfähigkeit zu weiden. Er ist traurig, wenn ich sündige. Gleichzeitig steht er bereit, um mir wieder aufzuhelfen. Genau dies ist die Aufgabe, die wir an unseren Kindern zu erfüllen haben: hinsehen, Nöte wahrnehmen, liebevoll korrigieren und helfen, den richtigen Weg zu gehen.
„Ich bin in Gottes Hand!“ ist der Anker in unserem Leben und sollte auch der Anker für unsere Kinder sein. Nachvollziehbar wird dieser Anker, wenn Kinder freudig sagen können: „An der Hand meiner Eltern fühle ich mich geborgen.“. David drückt es im 131. Psalm so aus: „Führwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter.“ (Vers 2)
Wir gehen selbstverständlich davon aus, dass Jesus immer Zeit für uns hat. Joy Strack schreibt in „Familie erleben – Väter gefragt“ vom Hänssler-Verlag, Seite 107: „Kinder buchstabieren Liebe so: ZEIT. Ein Vater erschrak als seine kleine Tochter beim Abendessen das Dankgebet sprach: >Und danke; Jesus, dass Papa heute zu Besuch vorbeikommen konnte.< Das saß. Der Mann telefonierte die nächsten vier Verabredungen ab und widmete sich wieder der Aufgabe, Zeit mit seiner Familie zu verbringen.“
Sieh dir das Verhalten deines Kindes genau an!
„Mütter… nehmt die Zeit, eure Kinder kennenzulernen. Beobachtet ihre Gemütsart und ihr Temperament, damit ihr wisst, wie ihr sie behandeln sollt. Manche Kinder brauchen mehr Aufmerksamkeit als andere.“ (E.G. White, Wie führe ich mein Kind? S. 127)
Hat ein Kind etwas falsch gemacht, sortiere ich „das Vergehen“ in eine vierfach differenzierte Charakteristik: Dummheit (Unwissenheit), Missgeschick, Frechheit, Gemeinheit.
Dummheiten: Wenn das Kind sein Fehlverhalten gar nicht als solches erkannte, kann ich es nicht tadeln. Es heißt zwar „Dummheit schützt vor Strafe nicht.“, aber wir haben das nicht so gehandhabt. Oft musste ein Kind sogar getröstet werden, denn es war erschrocken über die Folgen seines Handelns und wollte gar keinen Schaden anrichten. Ich denke an ein Paar kleine Gummistiefel, die einer unserer Jungs vor vielen Jahren fürsorglich mit in die Kochwäsche tat. Er hatte nichts Böses im Sinn und wir konnten auch bald darüber lachen.
Die Unwissenheit meines Kindes geht bestenfalls auf das Konto meiner versäumten Belehrungen und ich erkenne meinen Nachholbedarf.
Missgeschicke: Hier steckt keine böse Absicht dahinter, höchstens mangelnde Sorgfalt und Achtsamkeit. Die umgekippte Kaffeetasse am Anfang gehört dazu. „Bitte passe beim nächsten Mal einfach besser auf!“ reicht als Ermahnung völlig aus.
Frechheiten: Ich sehe mich als humorvolle, verständnisvolle Mutter, doch bei Frechheiten verstehe ich keinen Spaß. Oft habe ich Eltern beobachtet, die unerhörte Reden, sogar Schimpfwörter gegenüber den Eltern, als witzig empfanden und sich köstlich darüber amüsierten. „Nein, der Kleine, was der sich traut! Der hat was drauf!“ riefen sie stolz und lachten. Erwarten diese Eltern, dass ihr Kind irgendwann von selbst gut erzogen wird? Ich gehe davon aus, dass großen Frechheiten irgendwann kleine vorausgegangen sein müssen. Die kleinen Fehler müssen ausgemerzt werden, z.B. „Ich erwarte, dass du vernünftig mit mir sprichst!“ und später vielleicht: „Ich bin nicht einverstanden, dass du dich ungefragt an meinem Portmonee bedienst!“
Gemeinheiten: Während man Frechheiten noch als ungezügelte Charakterschwächen erklären könnte, liegt bei Gemeinheiten die bewusste Bosheit zugrunde. Alle „Alarmleuchten“ gehen bei mir an, wenn ich Gemeinheiten feststelle, vor allem, wenn sie gehäuft auftreten und zur Norm werden. Vielleicht versteht jeder etwas anderes darunter, aber ich zähle dazu z. B. Spott, Ärgern, Hänseln, Ausgrenzen, Mobbing, jede Art von Gewalt, Stehlen, Betrügen, absichtliche Sachbeschädigung, Weitergabe von Anvertrautem und nicht bereitsein zu vergeben. Auch nachlässige Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, mangelnde Pflichterfüllung, Unehrlichkeit und Rücksichtslosigkeit sind letztlich Gemeinheiten.
Schon Vorschulkinder sind zu derben Gemeinheiten fähig, was mich immer wieder erstaunt: sie können andere Kinder ausgrenzen, dem Nebenmann das Essen vom Teller mausen, den schönen bunten Käfer absichtlich zertreten oder prügeln auf andere ein.
Wer Gemeinheiten bei seinem Kind entdeckt hat, darf zuerst Gott danken, dass er es erkannte und dann mit Gottes Hilfe sein Kind auf neue Wege führen. Es mag viel Zeit, Geduld und Mühe kosten. Doch das ist die elterliche Aufgabe: Man nennt es Erziehung! Zieht das Kind auf dem richtigen Weg zu Jesus!
„Eltern, um Christi willen, erleidet in eurem wichtigsten Werk keinen Schiffbruch – im Formen des Charakters eurer Kinder für Zeit und Ewigkeit.“ (E.G. White, Zeugnisse Bd. 3, S. 47)
Ermahnen ist nicht „meckern“!
Zeternde Mütter, tobende Väter – wer wünscht sich das schon? Doch Eltern sind aufgerufen zu ermahnen Epheser 6,4 . Was genau ist eigentlich gemeint?
„Der zugrundeliegende griechische Begriff ist aus zwei Worten zusammengesetzt, von denen das eine >Verstand, Sinn, Denken< bedeutet und das andere >setzen, stellen, legen<. Bei der Ermahnung wird etwas in die Gedanken eines anderen hineingelegt, und zwar, indem man mit ihm redet, ihn lehrt, versucht, ihn durch gute Argumente zu überzeugen. Es hat viel mit Beraten, Zureden, Überzeugen und Argumentieren zu tun. Die Erziehung wendet sich mehr an das Gefühl des Kindes, die Ermahnung mehr an den Verstand. Erziehung wird gefühlt, Ermahnung gehört.“ „So macht Familie richtig Spass, Jens Kaldewey, Schulte&Gerth, Seite 100)
„Nehmt einander an!“ Römer 15,7 ruft uns Gott in seinem Wort zu. Nehmt eure Elternaufgabe bewusst an und nehmt eure Kinder als wunderbare Gottesgeschenke an! Und nehmt einander besonders dann an und in den Arm, wenn ihr schuldig geworden seid! Gott segne unsere Familien!