„… denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Offenbarung 14,13
20. Februar 2020Generation 50+
20. Februar 2020Lerne loszulassen!
Ein ausführlicher Artikel in der Zeitschrift „Brigitte“ widmete sich diesem Aufruf. Es wurde ein interessanter Blick auf unsere moderne Lebensart geworfen. Wir wollen krampfhaft alles festhalten: alternde Rockstars können ihre Musikerkarriere nicht loslassen, 50jährige peppen sich wie Teenies auf, um jugendlich zu erscheinen, wir kleben am Besitz, an Traditionen, am „Das war schon immer so!“. Völlig natürliche und durchaus auch positiv zu verstehende Vorgänge versucht man zu ignorieren: das Flüggewerden der Kinder oder das Nachlassen der eigenen Kraft. Umstände, die nach Veränderung schreien, werden nicht wahrgenommen. So lagern in Kammern und auf Böden in die Jahre gekommene Besitztümer, die man ja vielleicht noch brauchen könnte: 50 Jahre alte Schulbücher, kaputtes Spielzeug der eigenen Kinder – auch die Enkel sind dem Spielalter längst entwachsen, Kleider in Größe 38 – man hat sich inzwischen sozusagen weiterentwickelt, steinalte Rechnungen und Belege, defekte Geräte jeder Art, ausrangierte Möbel und Reste jeder Renovierungsaktion. Alles wird aufgehoben, denn es war ja mal teuer. Unser Sammelsurium an Dingen, die wir eigentlich nicht brauchen, ist uns lieb und wert. „Das frisst kein Brot.“ höre ich meine Mutter sagen. Dieses Motto lässt uns in Schränken, Kartons und auf Dachböden verstauen, was anderen hätte einen Dienst erweisen können oder zum Recyclinghof gehört.
Alles aufheben, alles festhalten – das hat nicht immer mit Sparsamkeit und Weitblick zu tun. Psychologen haben einen Zusammenhang von einer „zugemüllten Dachkammer“ und einer „zugemüllten Seele“ gefunden. Aufräumen, Befreien und Loslassen sind Aktionen, die unsere äußeren Lebensumstände und unser Inneres gleichermaßen positiv verändern.
Wir müssen lernen, „abschiedlich zu leben“ (Prof. Verena Kast, Schweizer Psychologin, vgl. http://www.verena-kast.ch/Vita.html).
„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Psalm 90,12 Oskar Holzberg fasst es in der erwähnten Zeitschrift „Brigitte“ in seinem Artikel „Jetzt oder nie“ zusammen: „Wir müssen lernen, uns zu verabschieden, auch wenn es ungeheuer schmerzlich sein kann. Indem wir das Gute mitnehmen, das Unerfüllte offen lassen und das Schlechte zurücklassen.“ (Brigitte 15/2006, S. 199-201)
Aussortieren – mehr als ein leerer Dachboden!
„Alles, was ich nicht brauche, kommt auf den Boden.“ Das ist so ein Satz, der Entrümplungsfreunde in Rage bringt. Ich zähle mich auch dazu und bewundere unsere Vorfahren, die im winzigen Farmhaus lebten und ihre kompletten Habseligkeiten auf einem Planwagen verstauen konnten. Eine ganze Menge unserer modernen Lebensart und damit unseres Besitzes empfinde ich als Bürde – als nicht immer sinnvolle Mehrarbeit an Lagerhaltung, Saubermachen, Pflegen, Sortieren und sich irgendwie drum kümmern müssen. Immer wieder frage ich mich: „Brauche ich das wirklich?“ und bin glücklich, wenn ich etwas aussortieren kann.
Und da gibt es dann Leute, die heben freiwillig Dinge auf, von denen sie wissen, sie werden es nie wieder verwenden und nicht mal in einer sentimentalen Minute zur Hand nehmen. Mein Vater würde uns nun den leeren Dachboden aus brandschutzsicheren Aspekten anpreisen. Richtig! Doch ich möchte noch tiefere Gedanken hinzufügen:
Ich schließe ab mit längst hinter mir liegenden Lebensabschnitten – wenn ich meine vergilbten Schulbücher entsorge. Wozu brauche ich heute noch die dicken Hefter der Mitschriften aus dem Marxismus-Leninismus-Unterricht oder meinen völlig verschlissenen Schulranzen? Wenn ich mir ein Lieblingsschulbuch aufhebe und vielleicht mein Erste-Klasse- Heft zum Schmunzeln, dann ist es genug.
Ich schließe ab mit völlig anderen Lebensumständen – wenn ich es wage, die unzähligen weißen Bettlaken aus unserer Aussteuer wegzugeben, weil ich mich heute der bunten Spannbettlaken erfreue.
Ich schließe ab mit der Kleinkinderphase in unserer Familie – wenn ich nicht den kompletten Kleiderstaat unserer Kinder von der Säuglingsausstattung bis Größe 164 horte.
Ich schließe ab mit anderen Wert- und Lebensvorstellungen – wenn ich mich endlich traue, Kartonweise Schnapsgläser wegzugeben, für die vor über 20 Jahren meine Mutter Schlange stand.
Ich schließe ab mit meiner Jungmädchenzeit – wenn ich Kleidung weggebe, in die ich seit Jahren nicht mehr hineinpasse. Ich gebe es immerhin zu!
Erst wenn etwas Altes abgelegt wurde, ist Platz für Neues. Wir kaufen doch auch nicht ein neues Kleid und tragen darunter noch das Alte. Wenn sich unsere Lebensumstände, unsere Wertvorstellungen und Lebensabschnitte ändern, dürfen wir uns dieser Veränderung bewusst stellen und ihr einen neuen Platz einräumen.
„Abschiednehmen ist immer ein Stückchen Tod.“ sagt ein französisches Sprichwort. Als meine Großeltern im Rentenalter waren, gingen sie gern zu einer Tanzveranstaltung, die hieß: „Man müsste noch mal 20 sein!“. Der Name war Programm. Mit den Liedern aus der Jugendzeit wurde ein wenig wehmütig dem Vergangenen nachgetrauert oder man versuchte wenigstens an einem Abend die Realität zu verdrängen. Mit den heutigen Siebziger- und Achtziger-Jahre-Partys ist es ähnlich.
Während ein ungläubiger Mensch jede Lebensphase krampfhaft festhalten möchte, um den Gedanken an das Lebensende zu verdrängen, darf der Christ mit jeder neuen Phase seinem Heiland näher kommen. Wenn Gott uns nach der Jugendzeit die mittleren Jahre und sogar das Alter schenkt, sollten wir es dann nicht bewusst, freudig und dankbar annehmen? Ist es dann nicht zu unserer Vorbereitung auf die Ewigkeit bestimmt? So, wie ein Lehrling nicht immer im ersten Ausbildungsjahr bleiben kann, wenn er eines Tages die Prüfung bestehen und als ausgelernter Facharbeiter in seinem Beruf arbeiten möchte, so müssen auch wir alle Ausbildungszeiten unseres Lebens absolvieren, die Gott in unserem persönlichen Lehrplan vorgesehen hat.
„Meine Zeit steht in deinen Händen.“ Psalm 31,16 Das ist nicht nur die Lebenszeit als Ganzes, sondern Gott unterteilt unser Leben auch in verschiedene Abschnitte. Wenn ich diese Unterschiedlichkeit nicht akzeptiere und bewusst auslebe, werde ich dem Plan Gottes für mein Leben nicht gerecht.
Das Unfassbare loslassen.
Die Schuhe, die mich schon immer gedrückt haben, kann ich leichter wegwerfen, als Sorgen und Nöte, die mich plagen.
Während ich meinen aufzuräumenden Besitz „anfassen“ kann und mit einer mutigen Handbewegung in den Verschenke-Beutel oder die Mülltonne werfe, halte ich das nicht Gegenständliche, also meine Probleme und Sorgen, fest umschlungen. Das „Unfassbare“ belagert meine Gedanken, betrübt die eigentlich freudigen Tage und schwebt als ständiges „Mathe-Prüfungs-Gefühl“ in meiner Magengegend.
„All eure Sorge werft auf ihn!“ 1. Petrus 5,7 . Das wissen wir und werfen auch – und dann sammeln wir unsere Sorgen wieder feinsäuberlich ein! Wir übergeben die Sorgen Jesus und haben doch noch eine Kette daran gebunden und ziehen sie als ständig gegenwärtige Last und Plage hinter uns her. „…denn er sorgt für euch.“ geht der Vers weiter. Ja ist es denn nur ein Vers für uns? Ist es nicht vielmehr eine Verheißung, ein Versprechen Gottes: Ich will es tun! Ich will dir deine Sorgen nehmen – ohne dass sie weiterhin an deinem Halse angekettet sind!
„Was habe ich alles am Halse!“ jammern wir und vergessen das „Werfen“ und „Loslassen“!
Loslassen – und doch begleiten.
Auch hierfür gibt es ein hübsches Beispiel: Ich darf die zu klein gewordene Lieblingshose von Benjamin noch länger begleiten, wenn ich sehe, wie ein anderes Kind aus der Gemeinde oder im Freundeskreis mit ihr im Sand buddelt. Ich denke, an so kleinen Dingen können wir üben für das große Loslassen: das Loslassen unserer Kinder. Wer mich ein wenig kennt, weiß, dass ich dies nicht nur so dahin schreibe. Ich hänge sehr an unseren Kindern, mancher mag meinen, fast ein wenig zu sehr. Ich wurde schon als „Glucke“ bezeichnet, da war unser Ältester noch ein Baby. Nun stehe ich vor drei großen Kindern, von denen zwei als fast „flügge“ zu bezeichnen sind. Ich habe jetzt die Wahl, zwischen dem Versuch, sie krampfhaft festzuhalten – und sie damit zu verlieren, und dem Versuch der Waage zwischen „Loslassen und Begleiten“. Ich muss es „Versuch“ nennen, denn ich habe diesen Prozess noch nicht erfolgreich abgeschlossen. Unsere Jungs mögen mir noch so manches Scheitern meinerseits vergeben, aber mein guter Wille ist schon da. „Man sage nicht, das Schwerste sei die Tat, das Schwerste dieser Welt ist der Entschluss.“ So erfuhr es der Dichter Franz Grillparzer und er mag dahingehend Recht haben: Jeder guten Tat und jedem richtigen Weg muss eine Entscheidung dafür vorausgegangen sein.
Loslassen – das kann auch weiterleiten heißen. Auf unsere Kinder bezogen, so wird die elterliche Fürsorge weitergeleitet in die Selbstversorgung und/oder die Ehe unserer Kinder. Das Wesentliche aber ist, dass jedes Loslassen der Kinder heißen möge: Himmlischer Vater, ich überlasse sie dir und vertraue sie dir ganz an! Habe Dank, wenn ich sie begleiten darf, Anteil haben kann an ihrem Ergehen und immer noch helfen darf, wenn es gewünscht und mir möglich ist.
Wem vertrauen wir?
Wir trauen uns oft zu viel und Gott zu wenig zu. Ich denke, dass es nicht aus Überheblichkeit und Selbstsicherheit geschieht. Wir sind erzogen worden, fleißig zu sein – und münzen das leider auch auf Dinge, die nur Gott in die Hand nehmen kann.
Dann wieder meinen wir, Gott müsse wirken, wo er uns doch Kopf und Hände zur Verrichtung dieser Arbeit gegeben hat.
Wir brauchen Gottes Führung und Weisheit, um unterscheiden zu können: Wo darf ich wirken? Wo kann nur Gott helfen? Was sollte ich wann loslassen …
Was sollte ich wann festhalten?
Wenn ein christlich erzogenes Kind, seinen Glauben aufgibt, hat es losgelassen, wo es hätte festhalten sollen. Wenn ein Kettenraucher beschließt: „Das war meine letzte Zigarette!“, hat er losgelassen, wo es nötig war. Entschließt sich der Alkoholiker: „Ich rühre keinen Tropfen Alkohol mehr an!“, dann ließ er an der richtigen Stelle los. Wenn ein Ehemann seiner Frau überdrüssig geworden ist und sich etwas Jüngeres sucht, hat er losgelassen, wo er hätte festhalten sollen.
Ob also festzuhalten oder loszulassen ist, muss an einem Maßstab geprüft werden. Wo dieser Maßstab fehlt oder nicht angewandt wird, begegnen uns all die traurigen Zustände, die uns sagen lassen: Das hat Gott nicht gewollt!
Wir haben zuvor gesehen, dass „Festhalten“ und „Loslassen“ neutral sind und auf einen bestimmten Sachverhalt hin geprüft werden müssen.
„Halte, was du hast…!“ Offenbarung 3,11 , Hier gilt, wie bei allen anderen Bibelversen auch, nichts aus dem Zusammenhang zu reißen. Was haben wir, das es festzuhalten gilt? Wenn die Beschreibung für die Gemeinde von Philadelphia auf uns zutrifft, dann gilt uns der Aufruf: „Festhalten!“. Falls wir von der Beschreibung abweichen, heißt es für uns: „Sucht mich!“ Amos 5,4 .
Was soll Philadelphia festhalten?
„… Du hast … mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. … Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast … dass niemand deine Krone nehme!“ Offenbarung 3,7-11
Die Bewahrung des Wortes Gottes – unverfälscht und vollständig – das ist unsere Aufgabe, denn die Bibel ist der Maßstab für unser Handeln, für all unsere Entscheidungen und Wege. Hierbei dürfen wir am Alten festhalten, denn Gottes Wort war und ist aktuell. Im Wort Gottes ändern sich keine Umstände, es wird nicht unbrauchbar, unmodern, verbraucht oder zerschlissen. Sogar die physikalischen und mathematischen Gesetze werden außer Kraft gesetzt: Wir können Gottes Wort festhalten und gleichzeitig weitergeben, teilen und gleichzeitig mehr erhalten!
Konkrete Aufrufe zum Festhalten:
„Ihr habt… festgehalten an dem Gebot des Herrn, eures Gottes.“ Josua 22,3
„Der Gerechte hält fest an seinem Weg…“ Hiob 17,9
„Ich halte an deinen Mahnungen fest; Herr, lass mich nicht zuschanden werden!“ Psalm 119,31
„Sie (die Weisheit) ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreifen und glücklich sind, die sie festhalten.“ Sprüche 3,18
„So bekehre dich nun zu deinem Gott, halte fest an Barmherzigkeit und Recht und hoffe stets auf deinen Gott!“ Hosea 12,7
„Sie hielten fest an der Lehre der Apostel …“ Apostelgeschichte 2,42, Luther 1975)
„… Hasst das Böse, haltet fest am Guten.“ Römer 12,9, Luther 1975)
Jesus spricht: „Wer an meinem Wort festhält, wird den Tod nicht sehen in Ewigkeit.“ Johannes 8,51, Luther 1975)
„Hab Acht auf dich selbst und auf die Lehre; halte daran fest! Denn wenn du das tust, wirst du dich selbst retten und alle, die auf dich hören.“ 1. Timotheus 4,16, Luther 1975)
„… haltet fest an der Demut …“ 1. Petrus 5,5
„Denn wir haben an Christus Anteil bekommen, wenn wir die Zuversicht vom Anfang bis zum Ende festhalten.“ Hebräer 3,14
„Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis der Hoffnung …“ Hebräer 10,23
„… unsere Sicherheit besteht im Festhalten an der Bibel.“ (.G. White, Bibelkommentar, S. 370)
Unser himmlischer Vater schenke uns allen die Weisheit, das Festhalten und Loslassen in unserem Leben recht einzusetzen, damit uns beides näher zu ihm führen möge.